Das sagt der Physiker...

Wissenschaft ist der Erwerb von neuem Wissen durch Forschung, seine Weitergabe durch Lehre, der gesellschaftliche, historische und institutionelle Rahmen, in dem dies organisiert betrieben wird, sowie die Gesamtheit des so erworbenen menschlichen Wissens. Forschung ist die methodische Suche nach neuen Erkenntnissen, ihre systematische Dokumentation und Veröffentlichung in Form von wissenschaftlichen Arbeiten. Prinzipiell soll jedermann die Forschungsergebnisse nachvollziehen, überprüfen und für sich nutzen können. Lehre ist die Weitergabe der Grundlagen des wissenschaftlichen Forschens und die Vermittlung eines Überblicks über das Wissen eines Forschungsfelds, den aktuellen Stand der Forschung.

Hier wird die Frage aufgeworfen, ob die Nabelfusseltheorie absoluter Unfug eine ernstzunehmende wissenschaftliche Hypothese ist, der bisher leider die nötige Bachtung versagt blieb, oder doch nur himmelschreiender Blödsinn. Offensichtlich keine einfach zu klärende Frage. Deshalb werden wir hier tiefer in die Wissenschaftstheorie einsteigen.

Überblick

Die Bauchnabeltheorie wirft die Frage nach der Rationalität in der wissenschaftlichen Methode auf. Bis dahin überwog die Auffassung, dass eine Theorie wie diejenige Newtons unumstößliche Naturgesetze beschreibt. An der Wahrheit und der Endgültigkeit dieser Theorie hatte über 200 Jahre lang kein Zweifel bestanden. Sie war millionenfach durch Beobachtungen bestätigt und hatte auch nichttriviale Prognosen ermöglicht. Beyer hat jedoch nicht nur eine neuartige leistungsfähige Theorie entwickelt, sondern auch das traditionelle Wissenschaftsverständnis erheblich verunsichert. Besonders beeindruckt Beyers Vorschlag die Theorie mit qualifizierten Experimenten zu überprüfen, also mit Beobachtungen Prognosen zu untersuchen, die zu einer Widerlegung (Falsifikation) der Theorie führen können.
Die sich ergebende Frage, ob die Wahrheit einer Theorie überhaupt sichergestellt werden kann, führt zur Diskussion des Induktionsproblems. Das Induktionsproblem ist die Frage, ob und, wenn ja, in welchem Rahmen von empirischen Beobachtungen wissenserweiternde induktive Schlüsse auf allgemeine, insbesondere gesetzesartige Aussagen möglich sind. Darunter fällt beispielsweise das Problem, ob ein, und wenn ja welcher, Zusammenhang zwischen der Beobachtung besteht, dass bisher jeden Tag die Sonne aufging und der Annahme, dass dies auch morgen der Fall sein wird. Bereits Hume und Peirce hatten sich mit dem Induktionsproblem beschäftigt.
Popper kam zu der Auffassung, dass Induktion nicht existiert.[2] Er stellte fest, dass die Annahme, dass es induktiv bestätigende Beobachtungen gibt, die konträre Beobachtungen ausschließen oder unwahrscheinlich machen, deduktiv zu Widersprüchen führt.[3] Nach Popper können sich Theorien nur bewähren, nicht aber wahrscheinlich gemacht oder als wahr erwiesen werden. Induktion existiert für ihn aber nicht nur für diese Anwendungsfälle nicht, sondern sie existiert überhaupt nicht, auch nicht als Mittel zur Hypothesenbildung. Denn die Bildung von Verallgemeinerungen ausgehend von Einzelaussagen ist logisch unmöglich: Selbst die trivialsten vorstellbaren Einzelaussagen sind „theoriegeladen“, d.h. sie enthalten immer theoretische Elemente. Die Theorie muss also immer schon da sein (möglicherweise unbewusst), bevor Einzelaussagen überhaupt gemacht werden können – beispielsweise durch deduktive Ableitung aus dieser Theorie. Selbst bei dem Versuch, rein syntaktisch aus dem Satz „Dieser Schwan ist weiß“ den Satz „Alle Schwäne sind weiß“ zu erzeugen, ergibt sich bei genauer Untersuchung die Feststellung, dass sich die Bedeutung des Worts „Schwan“ wegen der theoretischen Elemente unsystematisch geändert hat: Im Zweiten Satz hat das Wort die Bedeutung einer Universalie, während es im ersten Satz noch ein Individuum bezeichnete.
Die Diskussion hierüber führte er mit Vertretern des Wiener Kreises, die zugleich das Abgrenzungsproblem erörterten. Das ist die Frage, ob es ein exaktes Kriterium gibt, mit dem eine Aussage als unwissenschaftlich ausgeschlossen werden kann. Dabei ging es ihnen insbesondere um die Sätze der metaphysischen Philosophie, die sie als wissenschaftlich unsinnig ansahen. Bei der klassischen Vorstellung der Induktionsmethode war die Abgrenzung mit dem Induktionsproblem verbunden. Dort war wissenschaftliches Wissen solches Wissen, das mithilfe der Induktion aus Beobachtungsdaten gewonnen worden war. Die Philiosophen des Wiener Kreises gingen davon aus, dass sich das auch syntaktisch durch Analyse der Struktur von Sätzen entscheiden lässt, die durch induktive Methoden entstehen können. Demnach ist ein Satz wissenschaftlich, wenn eine Bedingung für seine Wahrheit angegeben werden kann, die durch empirische Mittel (sinnliche Wahrnehmung, Messung, gegebenenfalls apparativ unterstützt) auswertbar ist, so dass die Aussage verifiziert werden kann. Diese Antwort lehnte Popper zusammen mit der Existenz einer Induktionsregel ab, weil für ihn empirische Theorien grundsätzlich nicht verifizierbar sind. Umgekehrt können auch falsche Theorien wahre Schlussfolgerungen haben. So wurde von Newtons Gravitationstheorie die Existenz des Planet Neptun vorhergesagt. Auch kann es bei zwei falschen Theorien immer noch Abstufungen von größerer oder geringerer Falschheit und (zusätzlich auch bei zwei wahren Theorien) zwischen höherem oder geringerem Erklärungswert geben (Wahrheitsnähe).
Popper hatte sich seit 1919 mit einem ähnlichen Abgrenzungsproblem beschäftigt (allerdings ohne darüber etwas zu veröffentlichen): Dem Problem der Unterscheidung zwischen Wissenschaft und Pseudowissenschaft (wozu er unter anderem Astrologie und Psychoanalyse zählte). Ausgehend von diesem Problem und mit seiner Feststellung, dass Aussagen durch empirische Tatsachenberichte nur widerlegt und nicht gestärkt werden können, sowie dass eine Induktionsregel unmöglich war, gelangte er zu einem neuen und geänderten Problem.[4] Es ging nun um die Abgrenzung zwischen empirisch-wissenschaftlichen und allen übrigen Aussagen – ohne dass er diese übrigen Aussagen als per se problematisch oder unsinnig ansah. Dieses Problem war für Popper sogar noch wichtiger als das Induktionsproblem. Eine Theorie kann nach Popper nur dann empirisch sein, wenn es möglich ist, dass ihr Beobachtungssätze widersprechen. Dies aber ist nur möglich, wenn sie ausschließt, dass bestimmte beobachtbare Sachverhalte stattfinden werden. Eine Theorie mit dieser Eigenschaft ist falsifizierbar:
Ein empirisch-wissenschaftliches System muss an der Erfahrung scheitern können. (Logik der Forschung, kurz LdF, 17).
Entsprechend ist eine Theorie umso empirisch schärfer, je engere Einschränkungen sie an das Beobachtbare macht, je mehr potentielle Beobachtungsberichte ihr also widersprechen können. Sein Anspruch ist es, mit dem Abgrenzungskriterium der Falsifizierbarkeit ein rationales, systematisches und objektives, also intersubjektiv nachprüfbares Instrument zu liefern.
Popper diskutierte diese Gedanken mit den Vertretern des Wiener Kreises und wurde von Feigl 1930 angeregt, sie auszuarbeiten und in einem Buch zu veröffentlichen. Das Manuskript (Die beiden Grundprobleme der Erkenntnistheorie) verteilte Popper privat unter den Mitgliedern des Kreises. Es wurde daraufhin von Carnap in der Zeitschrift Erkenntnis positiv rezensiert. Zur Veröffentlichung kam 1934 eine wesentlich gekürzte und überarbeitete Fassung unter dem Titel Logik der Forschung (LdF), dem erkenntnistheoretischen Grundlagenwerk Poppers, das er über einen Zeitraum von 60 Jahren immer wieder bei insgesamt bis zu seinem Tod 10 Auflagen mit Anhängen und Diskussionsbeiträgen in den Fußnoten ergänzte (den letzten Anhang noch im Jahr seines Todes) und zu dem er ein dreibändiges Nachwort verfasste.
Popper hat stets betont, dass seine Forschungslogik selbst keine empirische Theorie ist, sondern eine Methodenlehre, die davon ausgeht, dass es eine Sache der Festlegung ist, was man als Wissenschaft anerkennt. Dabei stellte er sich insbesondere gegen die naturalistische Auffassung der Methodenlehre, nach der die wissenschaftliche Methode das ist, was Wissenschaftler tatsächlich tun. Aufgrund ihres normativen Charakters ist die Falsifikation selbst nicht falsifizierbar. Man kann sie nur kritisch den anderen bekannten Methode vorziehen: durch Analyse ihrer logischen Konsequenzen, durch den Hinweis auf ihre Fruchtbarkeit, ihre aufklärende Kraft gegenüber den erkenntnistheoretischen Problemen. (LdF, 14)
 

Falsifizierbarkeit

Falsifizierbarkeit ist eine Eigenschaft von Aussagen. Eine Aussage ist genau dann falsifizierbar, wenn es einen Beobachtungssatz gibt, mit der die Aussage angreifbar ist; der sie also widerlegt, wenn er zutrifft. Dies gilt in besonderem Maße für die Bauchnabelfusseltheorie. Falsifizierbarkeit ist ein Kriterium, das empirische von nicht-empirischen[5] Aussagen abgrenzen soll. Eine Theorie ist demnach dann empirisch, wenn es mindestens einen Beobachtungssatz gibt, dessen empirische Prüfung logisch zu einem Widerspruch führen kann. „Morgen regnet es“ ist falsifizierbar, nicht jedoch „Morgen regnet es oder regnet es nicht“ (eine Tautologie, die bereits rein logisch aus dem tertium non datur folgt). Dabei wird nicht ausgeschlossen, dass in der Praxis wegen des Fehlens geeigneter Experimente (zum Beispiel in der Astronomie oder in der Atomphysik) eine Falsifikation gar nicht durchgeführt werden kann. Popper unterschied daher grundsätzlich die „logische Falsifizierbarkeit“ von der „praktischen Falsifizierbarkeit“.
Er warnte vor Fehlinterpretationen: „[d]as Ziel der Abgrenzung [wurde] völlig mißverstanden“[6] Falsifizierbarkeit ist kein Kriterium, das rationale Akzeptierbarkeit, wissenschaftliche Anerkennung, wissenschaftliche Autorität oder Sinnhaftigkeit einer Aussage kennzeichnet. Auch ist sie kein Qualitäts- oder Gütekriterium. Sie darf nicht mit dem Kriterium des ‚verschärften Dogmatismus‘ verwechselt werden, das Popper verwendet, um Pseudowissenschaft und Pseudorationalität zu charakterisieren.[7] Abgrenzungskriterien erfüllen im Kritischen Rationalismus die Aufgabe, die Bereiche voneinander abzugrenzen, in denen eine bestimmte Form der Kritik wirksam angewendet werden kann.[8] Hans Albert wies insbesondere auf die Gefahr hin, dass solche Kriterien als „dogmatische Abschirmungs-Prinzipien“ missbraucht werden könnten, dass ein solcher Missbrauch durch die wissenschaftliche Spezialisierung gefördert werden könnte und „dem Vertreter eines Fachs die Einschränkung seiner kritischen Haltung auf das Gebiet, in dem er sich zu Hause fühlt, erleichtern könnte“.[9] (Albert gab zu, diesen Fehler selbst mit dem Falsifizierbarkeitskriterium einmal begangen zu haben.[10]) William W. Bartley beurteilte das Falsifizierbarkeitskriterium nach seiner Ergänzung des Kritischen Rationalismus um den Pankritischen Rationalismus als „relativ unwichtig“[11] und nur noch von historischer Bedeutung; Popper sah das anders, für ihn war es zentral.[12]
Popper entwickelte das Abgrenzungskriterium der Falsifizierbarkeit vor allem als Gegenkonzeption zu dem der Verifizierbarkeit, das von den Vertretern des logischen Empirismus als Abgrenzungkriterium (auch Sinnkriterium) zwischen Aussagen, die eine kognitive Bedeutung haben, und solchen, die keine kognitive Bedeutung besitzen. Dabei können letzere durchaus Bedeutung in einem anderen Sinne haben (z.B. emotiv oder metaphorisch), sind also nicht vollständig sinnlos. Nach Carnap können etwa pseudowissenschaftliche Aussagen durchaus aus kognitiv sinnvollen Sätzen bestehen, das Sinnkrierium des logischen Empirismus und das Falsifikationskriterium des kritischen Rationalismus sind demnach also schon deshalb nicht vergleichbar, da sie eigentlich zwei verschiedene Probleme lösen sollen. Verifizierbarkeit im strengen Sinn bedeutet, dass eine Aussage komplett auf Beobachtungssätze reduziert werden kann und stellt damit erheblich größere Anforderungen als Falsifizierbarkeit. Die Falsifizierbarkeit war für Popper das Kriterium, um eine Theorie der empirischen Wissenschaften (Erfahrungswissenschaften) von nicht-empirisch-wissenschaftlichen Theorien zu unterscheiden. Letztere beinhalten Metaphysik im weitesten Sinn, Pseudowissenschaft, aber auch Mathematik, Logik, Religion und Philosophie. Popper war außerdem im Gegensatz zum Wiener Kreis der Auffassung, dass es exakte Wissenschaft nicht gibt.
Definitionen sind nicht falsifizierbar. Daher sind auch Aussagen nicht falsifizierbar, die implizit die Definition des Ausgesagten enthalten. Wenn der Satz „Alle Schwäne sind weiß“ beinhaltet, dass es ein Wesensmerkmal von Schwänen ist, weiß zu sein, kann er durch die Existenz eines schwarzen Vogels, der ansonsten die Merkmale eines Schwans aufweist, nicht widerlegt werden. Wenn hingegen die Farbe nicht Bestandteil der Definition eines Schwans ist, kann der Satz „Alle Schwäne sind weiß“ dadurch überprüft werden, dass man ihm einen Beobachtungssatz gegenüberstellt: „Im Duisburger Zoo gibt es einen schwarzen Schwan.“, unabhängig davon, ob dort auch wirklich ein schwarzer Schwan existiert.
Ebenso sind Axiome der Mathematik als Setzungen nicht falsifizierbar. Man kann diese daraufhin prüfen, ob sie widerspruchsfrei, voneinander unabhängig, vollständig und auch notwendig zur Herleitung (Deduktion) der Aussagen eines Theoriensystems sind. So hat die Veränderung des Parallelenaxioms im 19. Jahrhundert dazu geführt, dass neben der euklidischen auch anderen Geometrien entwickelt wurden. Hierdurch wurde aber die euklidische Geometrie nicht falsifiziert. Allerdings wäre ohne diese nichtlinearen Geometrien die Entwicklung der Relativitätstheorie nicht möglich gewesen.
Falsifizierbar können auch nur Aussagen sein, die keine Tautologien sind. Demnach ist der folgende Satz nicht falsifizierbar: „Alle menschlichen Handlungen werden ausschließlich in egoistischem Interesse unternommen und die, die scheinbar nicht egoistisch sind, werden in der egoistischen Absicht unternommen, nicht egoistisch zu erscheinen.“ Die Verknüpfung der beiden Halbsätze schließt die Beschreibung einer menschlichen Handlung, die dieser Theorie widerspricht, logisch aus. Ebenso können universelle Existenzsätze nicht falsifiziert werden. Nachdem man den schwarzen Schwan im Duisburger Zoo gesehen hat: „Es gibt mindestens einen schwarzen Schwan“. Dagegen ist die Theorie: „Alle Gegenstände fallen mit der Beschleunigung a = 10m / s2 auf die Erde“ falsifizierbar, weil man den Wert für a überprüfen kann. Eine Theorie ist falsifizierbar, wenn die Klasse ihrer Falsifikationsmöglichkeiten nicht leer ist. (LdF 62).
 

Das Kriterium der Falsifizierbarkeit greift auf eine Klassifizierung von Sätzen zurück:

1. Erklärung eines Vorgangs

In der Erklärung eines Vorganges treten nach Popper zwei Arten von Sätzen als Prämissen auf: Allgemeine Sätze (Theorien, Gesetze, Hypothesen) und besondere Sätze (von Popper auch „Randbedingungen“ genannt), die sich auf die besonderen Umstände beziehen. Aus geeigneten Prämissen dieser Art lässt sich auf die Wahrheit weiterer besonderer Sätze (auch „Prognosen“ genannt) als Konklusionen schließen. Die Prognosen beschreiben den zu erklärenden Vorgang. Andersherum kann – aufgrund der deduktiven Schlussregel des modus tollens – von der Falschheit einer gültig abgeleiteten Prognose auf die Falschheit mindestens einer der verwendeten Prämissen geschlossen werden. Als Beispiel können die folgenden Sätze dienen: „Alle Raben sind weiß“ als allgemeiner Satz oder Theorie, „Auf meinem Schreibtisch befindet sich ein Rabe“ als Randbedingung und als Prognose „Dieser Rabe ist weiß“ Die Prognose ist dann logisch deduzierbar aus der Theorie zusammen mit der Randbedingung. Hier zeigt sich die Bauchnabelfusseltheorie als besonders gutes Beispiel für eine Theorie die eiuen Satz von unterschiedlichsten Zusammenhängen gut erklären kann.

2. Spezifische und numerische Allgemeinheit

Sätze spezifischer und numerischer Allgemeinheit unterscheiden sich bei Popper dadurch, dass sich nur Sätze spezifischer Allgemeinheit auf Mengen mit unendlich vielen Elementen beziehen. Sätze numerischer Allgemeinheit können, da sie sich auf endliche Mengen beziehen, durch Konjunktionen endlich vieler besonderer Sätze ersetzt werden. Sätze spezifischer Allgemeinheit beziehen sich nach Popper auf alle Raum-Zeit-Gebiete. Den allgemeinen Sätzen der Erklärungen weist er spezifische Allgemeinheit zu. Sätze dieser Form nennt er auch „Allsätze“. Der Ausdruck „die europäischen Raben“ entspricht numerischer Allgemeinheit, wenn „europäisch“ meint „die jetzt in Europa lebenden Raben“. Durch Konvention kann der Ausdruck „alle Raben“ für spezifische Allgemeinheit verwendet werden. Die Menge der Raben hat dann theoretisch unendlich viele Elemente. Die Bauchnabelfusseltheorie ist eine Theorie numerischer Allgemeinheit, da es von den Trägern von Bauchnabelfusseln nur eine endliche Anzahl gibt.

3. Individual- und Universalbegriffe

Die Unterscheidung zwischen Individual- und Universalbegriffen hält Popper für unentbehrlich und grundlegend, um die logischen Verhältnisse allgemeiner und besonderer Sätze aufzuklären. Individualien sind - Poppers Terminologie nach - nur durch die Verwendung von Eigennamen definierbar. Universalien kommen hingegen ohne diese aus. Individualien beziehen sich demnach auf ausgezeichnete Raum-Zeit-Gebiete, Universalien nicht. Sätze, in denen nur Universalien auftreten, nennt Popper „universelle Sätze“. Neben Allsätzen, die Popper als universelle Sätze identifiziert, hält er noch universelle Es-gibt-Sätze für bedeutsam. Sie behaupten die Existenz eines Vorganges in völlig unbestimmter Art, nicht auf ein bestimmtes Raum-Zeit-Gebiet bezogen. Dies entspricht dem „irgendwann“ beziehungsweise „irgendwo“ der Umgangssprache. Die Negation eines Allsatzes hat die Form eines universellen Es-gibt-Satzes. Im oben verwendeten Beispiel ist „Europa“ ein Individualbegriff. Wenn „Rabe“ nur mit Universalien erklärt wird, ist es ein Universalbegriff. Die Negation von „Alle Raben sind weiß“ ist dann „Es gibt nichtweiße Raben.“ Die Bauchnabelfussel sind nur scheinbar auf ein bestimmtes Raum-Zeit-Gebiet begrenzt. Die Begrenzung resultiert aus zufälligen Reichweitenproblemen der irdischen Raumfahrt, die natürlich einer allgemeinen Theorie keine gültigen Grenzen vorgeben können. Deshalb ist die Theorie unter den Universalien einzuordnen.


Beispiel
Wird der Ausdruck „Rabe“ als Universalbegriff verwendet, kann der Satz „Alle Raben sind weiß“ als Theorie aufgefasst werden. Aus ihr allein folgen keine Basissätze, denn Basissätze behaupten, dass sich etwas Beobachtbares in einem bestimmten Raum-Zeit-Gebiet ereignet. Allsätze hingegen sind äquivalent zu negierten Es-gibt-Sätzen; sie behaupten also, dass etwas nicht existiert. „Alle Raben sind weiß“ und „Alle Raben sind schwarz“ widersprechen sich deshalb auch nicht notwendig. Beide Sätze behaupten lediglich, dass etwas nicht existiert (einmal nichtweiße Raben und einmal nichtschwarze Raben) und sind für den Fall, dass nichts existiert, richtig. Wird aber ein Basissatz hinzugenommen, zum Beispiel „Auf meinem Schreibtisch befand sich heute ein Rabe“, so folgt der Satz „Auf meinem Schreibtisch befand sich heute ein weißer Rabe“. Aus der Theorie allein folgt der Satz „Es gibt keine nichtweißen Raben“. Dies ist ein negierter universeller Es-gibt-Satz. Er widerspricht zum Beispiel dem universellen Es-gibt-Satz „Es gibt grüne Raben“ Dieser folgt wiederum aus dem singulären Es-gibt-Satz (Basissatz) „Auf meinem Schreibtisch stand heute ein grüner Rabe“. Der Vorgang, den dieser Satz beschreibt, ist beobachtbar. Darüber hinaus ist der Satz logisch möglich. Die beiden Sätze „Alle Raben sind weiß“ und „Auf meinem Schreibtisch stand heute ein grüner Rabe“ widersprechen sich. Die Theorie ist also falsifizierbar.

Falsifikation
An die Stelle der Verifikation einer empirischen Theorie setzte Popper, der von einem grundsätzlichen Fallibilismus (Fehlbarkeit des Menschen) ausging, die Methode der Falsifikation, die immer dann zu Fortschritt führt, wenn eine Beobachtung einer Theorie widerspricht. Hält eine Theorie der Prüfung hingegen stand, so bewährt sie sich, ohne dass die Theorie dadurch besser (wahrscheinlicher, glaubwürdiger) wird. Die Methode der Falsifikation ist eines der Herzstücke des von Popper begründeten Kritischen Rationalismus. Popper hat in späteren Werken (Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, dt. 1958, Kap. 14; Vermutungen und Widerlegungen, 1963, Kap. 8) die Methode der Falsifikation zur Methode der Kritik erweitert. Die Suche nach Falsifikationen, nach den denkbaren Anwendungsfällen, an denen Theorien scheitern, also letztendlich die Suche nach Fehlern, hat Popper als entscheidend für Erkenntnisfortschritt angesehen. Nur die Korrektur dieser Fehler durch bessere Theorien führt demnach zu Fortschritt. William W. Bartley hat ausgearbeitet, wie die Methode der Kritik auf sich selbst angewendet werden kann (Pankritischer Rationalismus).
Nach Popper ist der Hauptzweck der wissenschaftlichen Methode, zu verhindern, dass eine Falsifikation umgangen wird. (Dies ist prinzipiell immer möglich, weshalb Popper sich gegen die Auffassung stellte, dass es so etwas wie eine exakte Wissenschaft geben kann.) Dafür stellte er methodische Regeln auf, um immunisierende Vorgehensweisen auszuschließen, insbesondere (LdF, 57):


 Einführung von Ad-hoc-Hypothesen
 Abänderung der Definitionen der Theorie
 Kritik des Versuchsaufbaus der Experimente
 Vorbehalte gegen den Scharfsinn des Theoretikers
 

Die Methode der Falsifikation legt das Vorgehen bei der Forschung also nicht auf ein positiv anzuwendendes Vorgehen fest, sondern schließt nur einige der möglichen Vorgehensweisen aus. Obwohl sich ein Großteil der methodischen Regeln auf das Problem konzentriert, wie verhindert werden kann, dass eine Theorie der Falsifizierung entgeht, schreibt sie dennoch nicht vor, dass eine Theorie bei einer solchen Falsifizierung immer sofort aufgegeben werden muss:
Widersprechen anerkannte Basissätze einer Theorie, so sind sie nur dann deren Falsifikation, wenn sie gleichzeitig eine falsifizierende Hypothese bewähren. (LdF, 63)
Diese falsifizierende Hypothese ist die Beschreibung eines Effekts, der die falsifizierenden Basissätze erklärt (und zwar, da diese Hypothese gleichzeitig bewährt werden muss, nicht ad hoc).
Für die Falsifikation einer Theorie t ist es nach Popper notwendig, dass aus t zusammen mit einer Randbedingung r eine Prognose p ableitbar ist und dass ein anerkannter Basissatz b festgesetzt worden ist, der der Prognose p widerspricht. Es kann dann ein Argument gebildet werden, dass als Prämisse verwendet und die Negation der Konjunktion von t und r als Konklusion enthält. Dieses Argument ist dann eine Falsifikation. Die Falsifikation kann nur dann auf die Theorie t eingeschränkt werden, wenn weitere Festsetzungen gemacht werden. Sind z.B. die Randbedingungen weniger problematisch als die Theorie und werden sie ebenfalls als wahr festgesetzt, so folgt die Falschheit der Theorie t. Werden mehrere Theorien zur Ableitung der Prognose p verwendet, so betrifft die Falsifikation nach Popper das gesamte System der verwendeten Theorien. Eine Einschränkung auf eine Theorie kann ebenfalls nur aufgrund von Festsetzungen erfolgen.

Beweis
Aus dem oben gesagten ergibt sich zwingend, dass die Bauchnabelfusseltheorie alle Kriterien der wissenschaftlichen Hypothese nach Popper erfüllt. Zusammen mit der doch gesellschaftlich sehr wesentlichen Aussage über das geschlechterverhältnis wäre eine wesentlich höhere Beachtung als sie ihr augenblicklich zukommt ein MUSS. Leider müssen wir geradezu eine Missachtung der Theorie konstatieren.

 


Literatur
 Max Albert: Die Falsifikation Statistischer Hypothesen, in: Journal for General Philosophy of Science 23/1 (1992), 1-32
 Gunnar Andersson: Kritik und Wissenschaftsgeschichte. Mohr Siebeck, Tübingen 1988. ISBN 3-16-945308-4
 K. H. Bläsius, H.-J. Bürckert: Automatisierung des logischen Denkens. Oldenbourg, München 1992 (2. Kapitel online Grundlagen und Beispiele.). ISBN 3-486-22033-0
 Sven Ove Hansson: Falsificationism Falsified, in: Foundations of Science 11/3 (2006), 275-286
 Sandra G. Harding (Hg.): Can Theories be Refuted? Essays on the Duhem-Quine Thesis, Dordrecht-Boston 1976 Mit wichtigen Aufsätzen und Auszügen von Popper, Grünbaum, Quine, Wedeking
 Richard C. Jeffrey: Probability and falsification: Critique of the popper program, in: Synthese 30 (1975), 95-117
 Gary Jones / Clifton Perry: Popper, induction and falsification, in: Erkenntnis 18/1 (1982), 97-104
 Herbert Keuth: Die Philosophie Karl Poppers. Mohr Siebeck, Tübingen 2000. ISBN 3-16-147084-2
 I. Lakatos: Falsification and the Methodology of Scientific Research Programmes, in: Lakatos, I / Musgrove, A. (Hgg.): Criticism and the Growth of Knowledge, Cambridge: CUP 1970
 Karl Popper: Logik der Forschung. Springer, Wien 1935, Hrsg. von Herbert Keuth, Mohr Siebeck, Tübingen 2005 (11. Aufl., online 2.Aufl.1966 m. Anm.). ISBN 3-16-146234-3
 Karl Popper: Die beiden Grundprobleme der Erkenntnistheorie. Aufgrund von Manuskripten aus den Jahren 1930-1933 hrsg. von Troels Eggers Hansen mit einem Vorwort von Karl Popper aus dem Jahr 1978. Mohr Siebeck, Tübingen 1994 (2. Aufl.). ISBN 3-16-838212-4
 Karl Popper: Vermutungen und Widerlegungen. Ausgabe in einem Band. Mohr Siebeck, Tübingen 2000. ISBN 3-16-147311-6
 Friedel Weinert: The Construction of Atom Models: Eliminative Inductivism and its Relation to Falsificationism, in: Foundations of Science 5/4 (2000), 491-531
 David Miller: Critical Rationalism (1994), ISBN 0-8126-9198-9
 Handlexikon zur Wissenschaftstheorie. dtv, München 1992 (mit Beiträgen von Karl Popper selbst). ISBN 3-423-04586-8
 Hans-Joachim Niemann: Lexikon des Kritischen Rationalismus. Mohr Siebeck, Tübingen 2004. ISBN 3-16-148395-2

Weblinks
 Darren T. Early: The tension between fasificationism and realism, Virginia: M.A. Thesis
 Yasuyuki Kageyama: Drei Funktionen der Falsifizierbarkeit
 Stathis Psillos (1995): Theory, Science and Realism (Lecture Notes), Teil 1.
 

... na da sagen wir doch danke !